Zukunft der Arbeit – soziotechnische Gestaltung der Arbeitswelt im Zeichen von »Digitalisierung« und »Künstlicher Intelligenz«
Um die »Humanisierung des Arbeitslebens« – so der Name eines von Hans Matthöfer in den 1970er Jahren ins Leben gerufenen Programms zur Förderung industrieller Entwick-lung – ist es still geworden. Ist heute alle Arbeit human gestaltet, hat sich dieser Anspruch als unrealistische Vision herausgestellt oder wurde er schlicht vergessen bzw. verdrängt?
Veranstaltungsort
Hochschule für Technik und Wirtschaft BerlinCampus Wilhelminenhof, Wilhelminenhofstraße 75 A, Gebäude G
12459 Berlin
Beschreibung
Mit Macht verfolgte Ansätze, mittels symbolischer »Künstlicher Intellingenz« und »wissensbasierter Systeme« eine kundenorientierte, flexibel automatisierte Wertschöpfung zu realisieren und lebendige Arbeit daraus weitgehend zu verdrängen, haben sich in der Folge als Illusion erwiesen. Vielmehr hat sich gezeigt, dass umso höher entwickeltes Arbeitsvermögen verlangt wird, je dynamischer die Marktanforderungen sind und je umfangreicher und komplexer das benötigte explizite Wissen samt seiner technischen Verkörperung ist. Nun wird unter Schlagworten wie »Industrie 4.0«, »Internet der Dinge« und »cyber-physische Systeme« erneut der Anspruch erhoben, neue Horizonte flexibel automatisierter Wertschöpfung zu eröffnen. Technisch soll das diesmal mittels konnektionistischer Künstlicher Intelligenz, Maschinenlernen, Robotik, Big Data und schneller Netzkommunikation in Verbindung mit aktuellen Entwicklungen in der Softwaretechnik erreicht werden.
Bei dieser Konzeption stellen sich erneut Fragen nach einer menschengerechten, an der Entfaltung von Arbeitsvermögen orientierten Gestaltung von Computersystemen in Einheit mit einer an Produktivität und Agilität orientierten Organisationsentwicklung, Arbeits- und Technikgestaltung. Im Spannungsfeld zwischen technisch Machbarem und sozial Wünschenswertem bewegt sich die künftige Entwicklung zwischen einer technikzentrierten Perspektive, die lebendiges Arbeitsvermögen weitgehend nachzuahmen und zu ersetzen trachtet, und einer praxisorientierten Perspektive, der zufolge sich die Gestaltung von Computersystemen und Organisationsformen an der Entfaltung lebendigen Arbeitsvermögens orientiert. Ist bei der ersten Perspektive der Verlust praktischer, für den Störfall aber benötigter Handlungskompetenz zu befürchten, so zielt die zweite Perspektive auf die menschengerechte, partizipativ-reflexive Gestaltung von Organisationsformen, Arbeitsaufgaben, technischen Arbeitsmitteln und ihren Interaktionsformen mit dem Fokus auf Entfaltung praktischer Handlungskompetenz in agilen Organisationen. Dabei werden insbesondere Fragen nach angemessener Funktionsteilung zwischen Mensch und Automat, nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit selbsttätiger Abläufe sowie nach Möglichkeiten und Bedingungen menschlichen Eingriffs vordringlich.
In diesem Kontext erhält die Frage nach der Methodologie der Softwareentwicklung und der ihr zugrunde liegenden Epistemologie erneute Aktualität. Was ist aus den Ansprüchen an eine überprüfbar an den Nutzerinnen und Nutzern orientierte, d. h. rationale und transparente Softwareentwicklung und Systemgestaltung geworden, die bis in die 1990er einen bedeutenden Platz in der wissenschaftlichen Diskussion einnahmen? Seither hat sich nicht nur das Volumen der produzierten Software wie der realisierten Anwendungssysteme vervielfacht, sondern haben mit dem Wiederaufleben der konnektionistischen Künstlichen Intelligenz Entwicklungsverfahren an Bedeutung gewonnen, die durch die klassische Methodendiskussion kaum adressiert wurden. Was ist der Stand der Auseinandersetzung mit dieser Situation, sowohl aus der Sicht der methodischen Softwareentwicklung und Systemgestaltung als auch der sozialwissenschaftlichen Reflexion?
Eine formlose Anmeldung zur Tagung unter Angabe von Titel, Name, E-Mail-Adresse und Institution wird erbeten an: fuchs-kittowski@t-online.de
Programm
9:00 Begrüßung
Prof. Dr.-Ing. Carsten Busch
Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Schirmherr der Tagung
Prof. Dr. Dr. Rainer Zimmermann
Präsident der Leibniz-Sozietät der Wissenschaft
Prof. Dr. Siegfried Piotrowski
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik, System- und Informationstheorie
9:15Plenarvorträge
Prof. Dr. Sabine Pfeiffer
Produktiv- oder Destruktivkraft? Zum aktuellen KI-Einsatz in Unternehmen
Prof. Dr. Christian Stary
Sozio-technische Gestaltung sozio-technischer Arbeitssysteme
11:15 Pause
11:30Vorträge zur Gruppe Arbeitsgestaltung 1 Prof. Dr. Arno Rolf Prof. Dr. Klaus Fuchs-Kittowski | 11:30Vorträge zur Gruppe Arbeitsgestaltung 2 Prof. Dr.-Ing. Peter Brödner Klaus Mertens | 11:30 Vorträge zur Gruppe Kybernetik: Selbstorganisation in der Technik, im Lebenden und im Sozialen Prof. Dr. Werner Kriesel, Prof. Dr. Ulrich Hofmann Prof. Dr. Frieder Nake |
13:00 Mittagspause
14:00 Fortsetzung der Vorträge zur Gruppe Arbeitsgestaltung 1 Prof. Dr. Thomas Herrmann Dr. Rainer Fischbach Information Dr. Bernd Pape | 14:00Fortsetzung der Vorträge zur Gruppe Arbeitsgestaltung 2 Prof. Dr. Erhard Nullmeier Prof. Dr. Katharina Simbeck Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen | 14:00Fortsetzung der Vorträge zur Gruppe Kybernetik: Selbstorganisation in der Technik, im Lebenden und im Sozialen Prof. Dr. Volker Wulf Dr. Kevin Liggieri Dr. H. Michael Schmidt |
16:15 Pause
16:45Plenarvorträge
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Rothe
Arbeit 4.0 – alte und neue arbeitswissenschaftliche und ingenieurpsychologische Probleme
Prof. Vincent Brannigan
Effective Social Control of Technological Systems: Viewing Titanic and Boeing through the ›Orgware‹ Paradigm
18:15 Ende der Tagung
Eine formlose Anmeldung zur Tagung unter Angabe von Titel, Name, E-Mail-Adresse und Institution wird erbeten an: fuchs-kittowski@t-online.de
Kontakt
Klaus Fuchs-Kittowski, Mitglied des Arbeitskreises der Leibniz-Sozietät „Emergente Systeme, Information und Gesellschaft“